Die Geschichte des Kino im Sprengels |
Die
Gründung des KINO IM SPRENGEL datiert zurück s
in graue Vorzeiten, als junge Menschen in bunter
Kleidung und mit bunt gefärbten Haaren noch
leerstehende Gebäude in Beschlag nahmen ohne
den Eigentümer vorher um Erlaubnis zu fragen.
Auch wir, ein Trupp enthusiastischer junger Kinopioniere,
quartierten uns im Mai 1988 in einem Trakt des
"Sprengelgeländes" in Hannovers Nordstadt
ein. Für die Schreibweise des Wortes "Kino"
in unserem Namen bedienten wir uns (als Verbeugung
vor dem großen Meister des russischen Revolutionsfilms,
Dziga Vertov) kyrillischer Buchstaben. Drei Monate
lang delektierten wir unser Publikum mit unserer
Vorstellung von gutem Kino. Der Raum war notdürftig
improvisiert, das Equipment zusammengeliehen,
die Leinwand bestand aus einer weißgetünchten
Mauer. Nach drei Monaten erteilte uns die Stadtverwaltung
einen Platzverweis und ließ das "Kino" zumauern.
In den beiden folgenden Jahren zogen wir unsere
Veranstaltungen als Wanderkino an nicht immer
kinotauglichen, jedoch stets idyllischen Ecken
der Nordstadt durch - auch mal bei Minusgraden.
1991/92
fand bereits ein Großteil der Veranstaltungen
in der "Bürgerschule" statt, dem Kulturzentrum
der Nordstadt und ebenfalls auf "Sprengel" gelegen.
Hier residierte auch der Verein FILM UND VIDEO
COOPERATIVE, der das Kinokind unter seine schützenden
Fittiche nahm. Dank dieses Verbundes gelang es
uns erstmals, öffentliche Zuschüsse
für Filmreihen zu erhalten. Dies, obwohl
wir mit einem Standbein weiterhin fest anarchistischem
Boden verhaftet waren. Denn gleichzeitig requirierten
wir eine ehemalige Werkstatt im alteingesessenen
Besetzertrakt des Sprengelgeländes, wo sich
eine Räumung schon etwas schwieriger gestalten
würde. Aus einem Haufen Schrott entstand
innerhalb eines halben Jahres ein richtiges Kino,
unter äußerstem Einsatz aller Mitwirkenden
und ohne einen einzigen Pfennig öffentlicher
Subventionen.
Im
Oktober 1992 wurde dann das zweite KINO IM SPRENGEL
eröffnet und entwickelte sich schnell zum
Szenetreff. Im Januar 1993 fiel dort der Startschuß
für die 5. NORDSTADT-FILMTAGE, Hannovers
Kurzfilmfestival. Ein Heizungssystem gab es damals
noch nicht, der Raum wurde mit zwei Bolleröfen
beheizt, was so manche Veranstaltung im Winter
zur Zitterpartie geraten ließ. Seit 1997
ist das Kino an ein modernes Blockheizkraftwerk
angeschlossen, dank finanzieller Hilfe vom Land
Niedersachsen und von der Stadt Hannover.
Inzwischen ist auch der rechtliche Unsicherheitszustand
beseitigt. Der ehemalige Status der "Duldung"
durch die Stadtverwaltung wurde in einen Erbpachtvertrag
für "Sprengel" umgewandelt. Seit 1996 gibt
es einen Trägerverein und alle zahlen Miete,
auch wir. In Folge wurden von der Stadt auch Sanierungsmittel
für den Trakt bewilligt.
|
Was wird bei uns gezeigt wurde -
Unser (damaliges) Programm (Text von ca. 2001)
|
Trotz unseres revolutionären Anspruches war unser Programm bereits in den Anfangstagen breit gefächert. Zwar war auch Agit-Polit-Stoff a la Züri brännt vertreten, es überwogen jedoch Filmklassiker wie Sunset Boulevard oder Experimentelles wie Die Basis des Make-up von Heinz Emigholz. Dieses Konzept der bunten Mischung hat sich bis heute nicht wesentlich verändert. Hinzugekommen ist lediglich, daß wir seit 1992 nicht länger nur Einzelveranstaltungen machen, sondern auch ganze Filmreihen programmieren, die sich durchaus über ein ganzes Jahr erstrecken können.
Auf große Resonanz stießen beispielsweise unsere Reihen Filmjahr 1968, Your Kunst Is Your Waffen (Filme von Frauen), Filmreisen-Reisefilme, eine Reihe zur Geschichte des Animationsfilmes, Neue Filme aus Japan, Kurzfilmabende und time-trax (eine Anthologie des europäischen Science-Fiction-Films), aber auch unsere Heimspiel titulierten Abende mit Filmemachern aus unserer Umgebung oder die beliebten K&K-Filmabende zweier hiesiger Prominenter. Wurde in den Anfangsjahren nur 1 Film im Monat gezeigt, so sind wir inzwischen bei im Schnitt 3 Veranstaltungsabenden pro Woche.
Unsere besondere Liebe gilt dem jungen, dem unkonventionellen, dem sperrigen und dem wahrhaftigen Kino, wofür wir auch Risiken aufzunehmen bereit sind. Doch zeigen wir auch mal (gutes) Gängiges, wenn es der Kontext erlaubt oder unser Kasse erfordert. Immerhin hat kein Kino in Hannover einen so hohen Anteil von Dokumentarfilmen im Programm wie wir. Cineastisch haben wir uns in all den Jahren ebenfalls weiterentwickelt, so daß dann auch einmal Filme wie Leichen pflastern seinen Weg oder Godzilla meets King-Kong über unsere Leinwand flimmerten. Übrigens waren dies zwei unserer schlechtest besuchten Veranstaltungen. Doch von niedrigen Besucherzahlen haben wir uns nie wirklich demotivieren lassen. Ein gewisser Durchhaltewillen ist für das Betreiben eines Kinos in bester Off-Off-Tradition nun einmal Voraussetzung. Und wir sind tatsächlich das einzige in Hannover! Zudem ist das Kino im Sprengel nicht nur das preisgünstigste Kino der Stadt, sondern zugleich das einzige, das konsequent keine Werbung zeigt.
Das Kino im Sprengel wurde seit der erstmaligen Vergabe des niedersächsischen Filmprogrammpreises für ein herausragendes Jahresfilmprogramm 1993 jedes Jahr mit diesem Preis ausgezeichnet.
Wir sind Mitglied des Bundesverbandes für Kommunale Filmarbeit und des Bundesverbandes Jugend und Film.
Trotz
des finanziellen Damoklesschwertes über unseren Häuptern geben wir uns Mühe, unser Publikum auch in Zukunft mit technischen Verbesserungen zu überraschen. Nachdem wir im Juni 1999 Dolby-Surround-Sound eingeführt haben, werden wir nun auch längst fällige Maßnahmen zur Verbesserung der Projektion ergreifen. Schritt für Schritt tasten wir uns so an den Multiplex-Standard heran. Wenn wir ihn irgendwann erreicht haben sollten, werden die Multiplex-Kinos wahrscheinlich schon wieder als gigantische Bauruinen den Stadtplanern Kopfzerbrechen bereiten.
Ein Überleben unseres Projektes ist derzeit nur gesichert durch mannigfaltige Kooperationen mit anderen Initiativen und kulturellen Gruppierungen in Hannover, zumal die Zukunft der Kulturförderung in Niedersachsen nach der EXPO-Pleite sehr ungewiß ist.
Abwarten und ins KNHO gehen!
|